Als Highlight dieser Tour wurde das Gastspiel von Dinamo Zagreb in der Kvarner Buch bei HNK Rijeka („Fluss“ // italienisch: Fiume, slowenisch: Reka, deutsch: St. Veit am Flaum, ungarisch: Szentvit) auserkoren.
Passend dazu zelebriert die Ultrasgruppe „Armada“ am 9. Mai ihren Geburtstag. In diesem Jahr ihren 26., und nutzt entsprechend das nächstgelegene Heimspiel für größere Tifoaktionen, sodass die Hoffnung auf ein beeindruckendes Tifo entsprechend groß war.
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Rijeka liegt langgestreckt an der Küste und bietet vor allem von Opatija aus einen reizvollen Anblick, obwohl das Stadtbild von einigen hohen Plattenbauten aus der Ära Titos dominiert wird.
Das Stadion in Kantrida, dem gleichnamigen Stadtteil von Rijeka gehört eigentlich nicht zu den spektakulärsten Europas – wenn man die Lage außer Acht lässt, denn diese ist fantastisch. Es wurde 1912 -aus Platzgründen- in einen ehemaligen Steinbruch gebaut. Auf der einen Seite eine 50m hohe Felswand, auf der anderen Seite Adria-Strand & Meer. An der Kante des Steinfelsens versammeln sich so auch viele Zaungäste um die Spiele zu sehen. Die Flutlichtmasten sind im steilen Fels verankert. 10.600 Zuschauer finden hier offiziell Platz.
Einst betrug das Fassungsvermögen des Stadions 25.000 Zuschauer, doch durch UEFA-Sicherheitsregelungen wurde die Kapazität vor einigen Jahren auf die heute gültigen 10.600 herabgesetzt.
Es ist ein kompletter Allseater, wovon nur ein Teil der Haupttribüne überdacht ist.
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Rijeka gilt als einer der größten Konkurrenten der beiden großen Clubs Hajduk Split und Serienmeister Dinamo Zagreb. Das Duell auf den Rängen klingt ebenso verheißungsvoll. Die Armada Rijeka 1987 in der Westkurve und den berühmt berüchtigten Bad Blue Boys im Gästeblock gegenüber. Zum Intro gab es keinerlei Tifo, aufgrund des am Vortag verstorbenen Armada-Mitglieds Marko Simon-Paden.
Die Presse vor dem Spiel beschäftigte sich zwar auch mit dem Spitzenspiel der kroatischen Liga, jedoch beherrschte ein anderes Thema die Gazetten: Der plötzliche Tod des 32-jährigen ehemaligen kroatischen Nationalkeepers Ivan Turina, erst 2010 von Dinamo zu AIK Solna nach Schweden gewechselt.
Tagsüber erkundeten wir die Innenstadt, die bei uns jedoch keine Begeisterungsstürme auslöste. Nicht besonders schick, nicht mal der Industriehafen lädt zum längeren Verweilen ein. Als kulinarischen Tipp sei das „Gardens“ empfohlen. Dort gab es lokale Spezialitäten zu passablen Preisen (Adresse: Riva 6) und es war an diesem Sonntagnachmittag recht viel Betrieb.
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Frühzeitig in Stadionnähe geparkt, was sich als ein nicht ganz so leichtes Unterfangen herausstellt, aufgrund der steilen, engen Gassen. Wir wählten für ein paar Kuna das nahe gelegene Parkhaus.
In der Westkurve der Armada herrschte schon weit vor Spielbeginn großer Betrieb und die Jungs waren mit Choreovorbereitungen beschäftigt und brachten das Material aus ihren Räumlichkeiten hinter der Kurve hervor. Alles recht entspannt.
Teilweise wurden die Choreo-Papptafeln erst kurz vor Anpfiff auf den hellblauen Sitzen ausgelegt.
Obwohl es das Topspiel ist, war die Partie erwartungsgemäß nicht ausverkauft, sodass man ohne Weiteres Karten an der Tageskassen kaufen konnte. Das Stadion war dennoch sehr gut gefüllt und es zeigen sich keine erkennbaren Lücken.
Wir wollten an der Hauptstraße oberhalb des Felsens noch die Ankunft des Dinamo-Buskonvois abwarten, ehe wir mit einem kurzen Abstecher beim Fanshop, das Stadion betraten. Wie in den südlicheren Gefilden nicht unüblich, ist der offizielle Fanshop von HNK Rijeka voll mit Produkten aus der Kollektion der Armada Rijeka 87. Diese überwiegen deutlich im Sortiment gegenüber den Vereinsartikeln. Teils recht schicke Designs aus der Feder der Armada-Sektion „Stylists“. So sieht man auch Jung und Alt mit entsprechenden Shirts und Sweater herumlaufen – komplett generationenübergreifend. Hierzulande sicher eher die Ausnahme als die Regel.
Das Einsingen hatte schon was; über die umherziehende Blaskapelle kann man sicher geteilter Meinung sein; dem Großteil im Stadion gefiel es und sang kräftig mit. Im Vorfeld wurden zudem Videosequenzen der Vergangenheit eingeblendet, wo sich ein Tor nach dem anderen mit Bildern von satten Pyroshows abwechselte. Wird eben locker gehandhabt hier, so soll es sein.
Zum Intro gab es eine Schweigeminute für das verstorbene Armada-Mitglied. Die Armada kümmert sich auch um den Getränkeverkauf im Stadion und in den Verkaufsständen waren überall Teelichter und Kerzen sowie ein Foto des Verstorbenen zu sehen.
Die BBB respektierten die Stille.
Bereits in der 3. Minute war damit schon Schluss und es wurden aus dem Gästeblock Hasstiraden („Mamiću, Cigane, odlazi iz svetinje!“) Richtung Heimkurve geschmettert, die zumindest bei den um uns herum sitzenden Heimfans zu Entrüstung führten. Dieses Spektakel wiederholte sich dann passend zur 87. Minute nochmal.
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In der 26. Minute zeigte die Armada dann ihre Choreo anlässlich ihres 26. Geburtstages. Die komplette Kurve zog mit und hielt minutenlang diszipliniert die Pappen und Überziehfahnen hoch. Das Spruchband vor der Kurve: „Sve što nas čini takvima već 26 godina….“ , dazu 4 Überziehfahnen mit den Ziffern der Jahreszahl 1-9-8-7, umrandet von weißen und blauen Pappen. Sah schon schick aus, wenngleich die baulichen Voraussetzungen (zu flach) nicht ideal sind. Die Haupttribüne würdigte den Geburtstag mit Applaus Richtung Kurve. Unter einer Ziffer stieg im Nachgang schöner, satter, blauer Rauch empor, was durch Felswand und Flutlicht richtig schick aussah. Gestört, ob auf dem Feld oder Tribüne, hat es im Übrigen niemand.
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Ansonsten war der (Dauer-)Support wirklich gut – beide Seiten nahmen sich nichts. Die Heimkurve nur mit minimalen Lücken, die nicht mitzogen. Die Gesänge schön laut, andere nennen es vielleicht „brachial“, dafür eher weniger melodische Gesänge/Lieder.
Die Armada liebt die Zahlensymbolik (26 / 87 / 60). Das mag für den Außenstehenden komisch sein, ich finde diese Tradition schon fast wieder witzig, trotz des Durchorganisierten blieben immer noch genügend Überraschungsmomente.
Das Bild der Heimkurve, was ich bis dato nur von Bildern kannte, wirkt live nochmal um einiges beeindruckender. Als nach der Choreo alle Zaunfahnen zum Vorschein kamen, ergab dies ein imposantes Kurvenbild. Handgezählte 46 Szene-Fahnen schmückten den Zaun. Die aktuelle, recht kleine, Hauptfahne der Armada hing über der historischen XXL-Variante. Drumherum viele Sektionsfahnen, die beiden Wikingerboote als Symbole der Armada und die Jahreszahl 1987. Nicht verschweigen muss man natürlich die politischen Tendenzen in der Fanszene in Rijeka: Auch das ein oder andere Keltenkreuz war dabei.
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In der 60. Minute beginnt eine rund 10-minütige Dauerpyroshow der Armada. Warum, wieso, weshalb die Armada immer in der 60. Minute anfängt zu zünden, weiß sie wohl selbst nicht mehr so genau, führt diese Tradition aber von Generation zu Generation fort.
Rauchtöpfe, Fackeln, Breslauer, LaBombas…. alles dabei was die Pyrokiste so hergibt und ließ kaum Wünsche offen. Die ein oder andere Fackel flog dabei auch auf das Spielfeld bzw. auf die Laufbahn vor dem Block.
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Im Gästeblock wurde die Zaunfahne der Gruppe 90 Minuten lang hochgehalten. Vorne am Zaun hingen kleinere Fahnen aus Zagreb und einigen Sektionen. Rund 600 Gäste zogen bei einer fast 100%igen Mitmachquote, gut mit. Dem Wunsch der BBB auf mehr Tickets wurde im Vorfeld nicht entsprochen. Mitte der 2. Halbzeit wurde die Zaunfahne der BBB durch eine rot-weiße mit der Aufschrift „Bljesak“ überhangen und kroatische Landesflaggen geschwenkt.
Der Hintergrund dieser Aktion dürfte auf 1995 zurückgehen. Die „Operacija Bljesak“ („Militäroperation Blitz“ war eine militärische Gegenoffensive im Kroatienkrieg am 1. und 2. Mai 1995, bei der die kroatische Polizei und die Kroatische Armee innerhalb von etwa 31 Stunden 500 Quadratkilometer der seit 1992 von serbischen Truppen besetzten Teile Westslawoniens (einer Region in Zentral-Kroatien) zurückeroberten).
Im Stadion erinnert auch ein Denkmal, insbesondere an die Armada-Mitglieder, die während des Kroatienkrieges 1991-1995 gefallen sind.
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In der 69. Minute begann eine Pyroshow der BBB, die die Fackeln anschließend auch auf der Tartanbahn entsorgten, untermalt von Gesängen: „Šugava Rijeko, puna si Srba, ništa ne brini, ima još vrba“. Bei der Übersetzung offenbaren sich die deutsch-kroatisch Schwächen, dürfte aber Themen wie „lausiger Fluss…. und …Serben“ zum Inhalt haben.
Festzuhalten ist, dass die Bitte des kroatischen Sportministers vor Anpfiff auf Rassismus und Pyro zu verzichten, nicht fruchtete.
Gestört hat es niemanden.
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Nach dem Abpfiff ging es für uns weiter, zurück Richtung Ljubljana. An sämtlichen Kreuzungen aus der Stadt heraus wartete bereits die kroatische Polizei, bis sichergestellt ist, dass die Dinamo-Busse -nach uns- auch die Heimreise ohne Zwischenstopp antreten.
Als Fazit bleibt ein absolutes Highlight-Stadion und ein Duell zweier beeindruckenden Fanszenen, die optisch und gesanglich Einiges boten. Dazu ein interessanter geschichtlicher Kontext in der Region, der noch gar nicht so lange zurückliegt.
Wenn man die relativ geringe Zuschauerzahl berücksichtigt, umso mehr ein Beweis dafür, dass es bei interessanten Spielen keine 60.000 Konsumenten in der schweigenden Masse benötigt, sondern 10.000 locker ausreichen, um echte Emotionen und Stimmung zu sehen – trotz des torlosen Remis auf dem Spielfeld.
Armada Rijeka – Način života (The way of life)
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Fakten:
05.05.2013 // 19.00h // HNK Rijeka – Dinamo Zagreb 0:0
Stadion: Stadion Kantrida
Wettbewerb: 1. HNL – Hrvatska Nogomentna Liga (1. kroatische Liga) 2012/13
Zuschauer/Gäste: 10.000 / 600
Eintrittskarte: 120 KN (15 €) Sitzplatz Haupttribüne überdacht, Kurvenkarten bereits ab 10 KN/ unter 2 € erhältlich.
Culinaria: Getränke- und Essensverkauf im Stadion durch die AR87